Erinnerung an ein bedeutsames Kapitel der Stadtgeschichte
Vor 60 Jahren kamen Soldaten aus Malta nach Mülheim
Von 1964 bis 1970 waren maltesische Soldaten in Mülheim an der Ruhr stationiert – als Transporteinheit der britischen Rheinarmee und im Rahmen des NATO-Truppenstatuts. Daran erinnert demnächst eine Gedenktafel.
Oberbürgermeister Marc Buchholz und der maltesische Botschafter in Deutschland, Dr. Giovanni Xuereb, werden dabei sein, wenn am Freitag, dem 22. November 2024 um 11 Uhr eine Plakette am ehemaligen Wachhaus der Wrexham Barracks (Oxforder Straße 2, heute Wohnpark Witthausbusch) in Mülheim an der Ruhr feierlich enthüllt wird. Auch alle Bürgerinnen und Bürger sind herzlich zu dieser Zeremonie eingeladen, wie es in einer Pressemitteilung der Stadt heißt. Mit der Gedenktafel soll an eine ganz besondere Verbindung erinnert werden, die eine Zeit lang zwischen Malta und der nordrhein-westfälischen Stadt bestand. Vor 60 Jahren, im November 1964, zog das 1. Regiment der Royal Malta Artillery (RMA) mit ca. 450 maltesischen Soldaten und 50 Zivilpersonen in Mülheim in die Wrexham-Kaserne ein – als Transporteinheit der britischen Rheinarmee.
„Der Einsatz prägte auch die Mülheimer Stadtgesellschaft. Es wurden Freundschaften und Ehen geschlossen sowie Kinder aus diesen Verbindungen geboren. Diese Zeit beschreibt ein bedeutendes Kapitel der Mülheimer Stadtgeschichte, das nun durch die Anbringung der Plakette dauerhafte Würdigung findet“, heißt es aus dem Rathaus (zum geschichtlichen Hintergrund siehe den Infokasten am Artikelende).
Dass die Erinnerung an die Anwesenheit der maltesischen Soldaten in Mülheim wieder aufgefrischt und wachgehalten werden kann, ist vor allem Joachim Speck zu verdanken – und einer zufälligen Begegnung. Speck, Präsidiumsmitglied der Deutsch-Maltesischen Gesellschaft, reist seit 45 Jahren privat und beruflich nach Malta. Bei einer dieser Gelegenheiten, nach der Präsentation der von ihm verfassten deutschen Übersetzung des Museumsführers für das Sanctuary Museum in Żabbar im September 2019, traf er auf einen Malteser, der ihm erzählte, dass er in den 1960er Jahren als „Gunner“ mit einem Regiment der RMA in Mülheim stationiert war.
„Ich hielt die Aussage des netten Maltesers zunächst für einen gelungenen Scherz. Als Malta-Begeisterter, ehemaliger Geschichtslehrer und Oberstleutnant der Reserve beschloss ich aber, seiner Information in Mülheim und Malta näher auf den Grund zu gehen“, erklärt Speck zurückblickend.
Wie gründlich dieses Auf-den-Grund-Gehen verlief, lässt sich u. a. in einem Artikel1 auf der Website des Geschichtsvereins Mülheim an der Ruhr nachlesen, den wir hier verlinken. Speck beschreibt darin die spannende Spurensuche in Mülheim und Malta und schildert detailreich die Ergebnisse seiner Recherchen. Sie lassen eine Zeit Mülheimer und maltesischer Geschichte wieder lebendig werden, die in der Öffentlichkeit heute kaum noch bekannt ist, an die sich unmittelbar Beteiligte aber gerne erinnern. Denn, wie Speck resümiert „Alle von mir bisher befragten Ex-‚Gunner‘ äußerten einhellig, dass sie sich in Mülheim sehr wohl gefühlt haben, was einer von ihnen mit den Worten: ‚Today we all agree that those years were the best years of our lives‘ zusammenfasste“.
Der geschichtliche Hintergrund
Deutschland: Gestützt auf Abkommen wie das NATO-Truppenstatut und den Aufenthaltsvertrag blieben auf dem früheren Bundesgebiet auch nach dem Erlöschen des Besatzungsstatuts 1955 weiterhin Soldaten aus den USA, Großbritannien und Frankreich stationiert. Kaum bekannt ist, dass auch maltesische Soldaten in Deutschland ihren Dienst taten. Als Teil der britischen Rheinarmee war das 1. Regiment der Royal Malta Artillery (RMA) ab 1962 zunächst in den Moore Barracks in Dortmund stationiert. Vor 60 Jahren, im November 1964, bezogen die Soldaten aus Malta sodann die Wrexham Barracks in Mülheim an der Ruhr, wo sie bis 1970 blieben.
Malta: Seit 1814 britische Kronkolonie, wurde Malta erst am 21. September 1964 unabhängig. Zunächst, bis zur Ausrufung der Republik am 13. Dezember 1974, blieb der Staat eine selbständige konstitutionelle Monarchie mit der britischen Königin Elizabeth II. als Staatsoberhaupt. Gleichzeitig behielt die britische Royal Navy weiterhin eine Basis auf Malta, und die RMA blieb noch bis 1. Oktober 1970 ein Artillerieverband der britischen Armee auf Malta. Zwei Monate zuvor hatte, wie Joachim Speck1 erläutert, ein Beschluss des maltesischen Parlaments den Weg für die Aufstellung eigenständiger, von Großbritannien unabhängiger Streitkräfte frei gemacht: Die Malta Land Forces (MLF), später in Armed Forces Malta, (AFM) umbenannt, wurden die Verteidigungskärfte Maltas.
Wie viele der maltesischen Soldaten, die in Mülheim stationiert waren, nach ihrer Rückkehr das Angebot angenommen haben, in den MLF zu dienen, ließ sich laut Speck bisher nicht feststellen. Etliche der Ex-RMA Soldaten seien nach ihrem Ausscheiden aus dem 1. Regiment der RMA nach Deutschland zurückgekehrt, um für deutsche Firmen zu arbeiten.
Im Jahre 1979 verließen die letzten britischen Soldaten Malta. Heute ist die Republik Malta zwar Mitglied der EU, nicht aber der NATO, und ihre Neutralität ist seit 1987 in der Verfassung festgeschrieben. Die AFM verfügt heute über eine Truppenstärke von ca. 1.650 Soldaten und Soldatinnen, und AFM-Angehörige leisten im Rahmen von UNO-Friedensmissionen auch Auslandseinsätze.
.............
1. Speck, Joachim: Stadtgeschichte(n) / Vor 60 Jahren: Soldaten aus Malta kommen nach Mülheim (Artikel auf der Website des Geschichtsverein Mülheim an der Ruhr).