Gaulitana-Festival kehrt live zurück
"Wir mussten in der Pandemie die Kunst neu denken"
Erstmals seit zwei Jahren kann man das Gaulitana: A Festival of Music wieder live erleben. Die 15. Ausgabe des Festivals wird am 5. März in Victoria/Gozo vom Malta Philharmonic Orchestra (MPO) unter der Leitung von Colin Attard eröffnet. Der künstlerische Leiter des Festivals erzählt im Gespräch mit Gabriele Spiller, was beim Publikum besonders beliebt ist. Und er überlegt, ob die Konzerte weiterhin kostenlos sein sollten.
Colin Attard, Sie bereiten derzeit das Gaulitana-Festival vor. Nach komplett abgesagten Veranstaltungen im Jahr 2020 und einer von COVID-19 eingedampften Version 2021 wird es wieder Live-Konzerte geben. Wie planen Sie die Eröffnung?
Colin Attard: Wir beginnen mit einem Highlight, Dvoraks 9. Symphonie, gespielt vom MPO – eine sehr bewusste Entscheidung. Der Titel "Aus der Neuen Welt" soll auf die Tatsache verweisen, dass wir die Pandemie hinter uns lassen. Man blickt zurück auf das, was man hatte, und findet sich in einer neuen Welt, einer neuen Realität wieder. Der Komponist Dvorak verwendete musikalische Einflüsse von amerikanischen Ureinwohnern, aber auch aus seiner böhmischen Heimat. Ich sehe das Werk als eine Inspiration dafür, wie wir eine neue Welt schaffen müssen, und zwar nicht nur in der Kunst. Wir müssen alle Kräfte vereinen. Zum Beispiel sollten die höher entwickelten Länder die weniger entwickelten mit Impfstoffen unterstützen – sonst könnten unsere eigenen Corona-Fälle wieder zunehmen.
Vor allem die Künstler, die nicht auftreten konnten, haben sehr unter der Pandemie gelitten. Stattdessen sind viele audiovisuelle Online-Formate entstanden. Ist das die Zukunft der Kunst?
Colin Attard: Corona hat zweifelsohne jeden Künstler herausgefordert, aber es gab auch positive Entwicklungen. Die Menschen hatten sich mit dem, was erfolgreich war, gut eingerichtet, mussten nun aber zwangsläufig die Kunst neu denken.
Sie haben letztes Jahr auch erstmals Opernszenen in Gozo gefilmt und als "Viva Verdi"-Serie weltweit im Internet verbreitet. Wie geht es weiter mit der Oper auf dem Gaulitana Festival?
Colin Attard: Im Moment ist es für die große Besetzung des MPO noch nicht möglich, stundenlang im engen Orchestergraben zu sitzen, während sich auf der Bühne eine Handlung mit vielen Statisten und Chor abspielt. Daher wird es in diesem Frühjahr keine Oper geben. Allerdings hat die Übertragung beliebter Verdi-Szenen über Facebook und YouTube unser Publikum im In- und Ausland enorm vergrößert. Aufgrund der großen Resonanz ist es für uns fast schon eine Verpflichtung, die Videos fortzusetzen. Ich persönlich denke aber, dass wir auch zu den Live-Produktionen zurückkehren müssen, weil sie spannend sind. Die Emotionen sind jedes Mal riesig, wenn man das macht.
Was schwebt Ihnen vor, normalerweise sind es Verdi- oder Puccini-Opern?
Colin Attard: Wir müssen uns wohl oder übel für bekannte Werke entscheiden: "Rigoletto", "Tosca", "Madama Butterfly" und so weiter. Selbst für Puccinis großartige "Manon Lescaut" gab es weniger Nachfrage. Opernproduktionen sind sehr kostspielig und bisher die einzige Veranstaltung, für die wir Eintritt verlangen. Hier entscheidet die Abendkasse über Erfolg oder Misserfolg. Deshalb frage ich mich auch, ob wir jemals genug Publikum für eine maltesische Oper finden würden. Außerdem hatten wir in Malta seit vielen Jahren keine Open-Air-Oper mehr. In solchen Fällen benötigt man eine zusätzliche Finanzierung. Hoffentlich wird die Zeit dafür kommen. Aber man kann die Dinge nicht halbherzig angehen. Man braucht auch eine Spitzenbesetzung, und das ist nicht selbstverständlich.
Mit Blick auf Gaulitana 2022 setzen Sie auf bewährte Namen und Ensembles aus der Region: Das Armed Forces Malta Band Heeresmusikkorps, Auftritte des italienischen MPO-Klarinettisten Giuseppe Recchia und Ihres Sohnes, des Geigers Pierre-Louis Attard, sowie des Gaulitanus-Chores, aber auch internationale Musiker ...
Colin Attard: ... darüber hinaus stehen einerseits abwechslungsreiche und populäre Werke auf dem Programm, andererseits Themen, die mit der Osterzeit in Verbindung stehen, und schließlich ein Konzert mit maltesischer Musik für Streicher. Ich freue mich sehr, unseren Artist-in-Residence, den in Berlin basierten US-Amerikaner Alexander Frey, wieder begrüßen zu dürfen. Mit seinen Klavier-, Orgel- und Vortragskonzerten hat er sich bei unserem Publikum bereits einen Namen gemacht. Außerdem können wir uns auf ein weiteres Konzert mit Musik des italienischen Komponisten Federico Gozzelino freuen. Er ist seit mehreren Jahren Stammgast beim Festival, und wir begrüßen die chinesische Spitzenpianistin Mélodie Zhao. Eine Ausstellung chinesischer Instrumente in der Banca Giuratale in Victoria verleiht dem Ganzen dann noch einen Hauch von Exotik. Zehn Konzerte sind in der Veranstaltungsreihe "GauLive" geplant, bei der dank der Unterstützung des Arts Council Malta und des Ministeriums für Gozo sowie privater Sponsoren der Eintritt weiterhin frei ist.
Meine Großmutter hat immer gesagt: Was nichts kostet, ist nichts wert. Wie sehen Sie das?
Colin Attard: Dies ist ein sehr heikles Thema, das wir oft diskutieren. Die Konzerte sollten für alle offen sein, da es unsere Aufgabe ist, das kulturelle Milieu von Gozo zu fördern. Aber sollte das für jede Veranstaltung gelten? Es ist zum Beispiel schwer nachvollziehbar, dass das MPO für seine eigenen Aufführungen in Gozo Eintritt verlangt – und das zu Recht –, während sie bei uns umsonst sind. Wir haben auch Ausgaben; wir müssen die Veranstaltungsorte mieten, die Mitwirkenden bezahlen und ich weiß nicht, was noch alles! Aber bis jetzt haben wir uns tapfer geschlagen. Ich denke, und das sehen auch unsere Sponsoren so, dass wir mit Gaulitana: A Festival of Music die Insel Gozo auf der internationalen Landkarte noch bekannter machen. So erhielt das Festival das prestigeträchtige EFFE-Label der European Festivals Association. Es gab schon immer Touristen, die extra für das Festival angereist sind, und auch Stammgäste aus Malta kommen gerne zu uns.
Gab es im Laufe der 15 Ausgaben des Festivals eine besondere Anekdote, an die Sie sich erinnern?
Colin Attard: Da gibt es eine Menge Erinnerungen. Aber an eine Geschichte werde ich immer denken: Als wir das erste Festival mit einer MPO-Sinfonie eröffneten, wollten wir mit einem Knall beginnen. Und tatsächlich entschieden wir uns für die schwungvolle Ouvertüre aus Rossinis "Il Barbiere di Siviglia", die mit zwei krachenden Akkorden beginnt. Nun, als ich gerade den Auftakt geben wollte, fiel irgendwo ein Notenständer um. Ich hatte keine andere Wahl, als mich an das Publikum zu wenden und zu sagen: "Wir wollten mit einem Knall beginnen, und das haben wir getan!"
Das Interview führte Gabriele Spiller im Februar auf Gozo.
Gaulitana: A Festival of Music, 5. – 27. März 2022, an verschiedenen Orten in Gozo.
Mehr Infos: https://gaulitanus.com/