Xemxija Heritage Trail

Wandern durch Natur und Geschichte in Maltas Norden

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Markierte Wanderwege gibt es nicht viele auf Malta. Der Xemxija Heritage Trail in Xemxija (gesprochen: Schemschija), einem Stadtteil von St. Paul’s Bay, profitiert davon, dass man sich liebevoll um ihn kümmert. Einst ein Zeugnis römischer Straßenbaukunst (Roman Road), viel später ein Pilgerweg und heute eine Gelegenheit für eine Zeitreise von der Steinzeit bis in die Neuzeit. Nicht so spektakulär wie die großen Steinzeittempel auf Malta und Gozo, die Katakomben und das Domus Romana in Rabat/Malta, die Höhle Għar Dalam oder die Funde im archäologischen Nationalmuseum in Valletta. Dafür können Sie sich jedoch frei auf dem Weg bewegen, das Gelände ist nicht eingezäunt, und es gibt auch kein Kassenhäuschen.

Die Roman Road und der Xemxija Heritage Trail

Anfahrt: Von Valletta die Busse in Richtung Ċirkewwa (Nr. 41, 42) nehmen, Ausstieg in Xemxija, Haltestelle „Roti“.

Startpunkt: Von der Bushaltestelle „Roti“ auf der Küstenstraße (Telghet ix-Xemxija) weiterlaufen und links in die steile Triq ir-Ridott einbiegen. Links taucht das Porto Azzurro Apart Hotel auf. Weiter auf der Triq ir-Ridott überquert man die Triq is-Simar. An der nachfolgenden scharfen Rechtskurve, dort, wo die Triq ir-Ridott zur Triq Radett ir-Roti wird, befindet sich links der ausgeschilderte Einstieg in den Trail.

Wegbeschaffenheit: Uneben, bisweilen steinig, daher ist festes Schuhwerk empfehlenswert. Und natürlich Sonnenschutz, schließlich lässt sich Xemxija (von maltesisch Xemx = Sonne) auch als „die Sonnige“ übersetzen.

Dauer: Bequem in zwei Stunden.

Literatur: Im Tourist Office von St. Paul's Bay (Misrah il-Bajja, im Stadtteil Buġibba) ist die kostenlose englischsprachige Broschüre „Xemxija Heritage Trail“ erhältlich. Eine 12-seitige deutschsprachige Beschreibung bietet das Kapitel „Römerweg“ in dem Band „Abseits“ von Bettina und Christian Launer. Hier geht’s zur Buchbesprechung.

Einkehr: Xemxija Café Lounge, an der Küstenstraße (Telghet ix-Xemxija). Cafe, Restaurant, Pizzeria & Wine Bar mit sehr großzügigen Öffnungszeiten und ungezwungener Atmosphäre.

Auf dem Weg erwarten Sie gut 20 historische und naturhistorische Stationen, darunter eine Römerstraße, Feldsteinmauern, ein Menhir, Höhlen, die vor nicht allzu langer Zeit noch bewohnt waren, ein Schiffsgraffiti, Bienenhäuser, auch eines aus vermutlich punisch-römischer Zeit, ein 1000 Jahre alter Johannisbrotbaum, Reste eines Steinzeittempels, eine Rundhütte aus Feldsteinen (Girna), ein punisches Grab, eine Bauernhütte, ein unterirdisches Getreidesilo, steinzeitliche über 5000 Jahre alte Grabkammern, ein militärischer Wachtposten aus dem 2. Weltkrieg, römische Bäder, das Mistra Gate vor einem traditionellen Farmhaus und Beispiele für die an verschiedenen Stellen der Inseln anzutreffenden geheimnisvollen Karrenspuren.

Dass der Weg als Wanderweg existiert, ist vor allem Frans Scerri, einem Bürger von Xemxija, zu verdanken. Vor einem Vierteljahrhundert hat er gemeinsam mit Freunden die Initiative für die Ausschilderung sowie die Hege und Pflege des Weges ergriffen und dafür die Unterstützung der Stadtverwaltung von St. Paul’s Bay gewonnen. Heute kümmert sich zudem „Malte Accueil“, eine Gruppe frankophoner Expats, um die Erhaltung der Wege, wozu auch regelmäßige Abfall-Sammelaktionen gehören. Schauen Sie doch mal auf die Facebook-Seite „Friends of Xemxija Heritage Trail“.

Von den Römern lernen, heißt Straßenbau lernen. Randsteine aus einem nahen Steinbruch stabilisierten schon vor 2000 Jahren die Straßendecke, ein Kanal am linken Rand sorgt für Drainage. An einigen Stellen (nicht im Bild) wird auch auf der rechten Seite Wasser eingesammelt und unter der Straße hindurch in den Kanal auf der linken Seite geleitet.

Menhir

Menhir

Der etwas unförmige Stein wird uns auf einer Schautafel als Menhir beschrieben. Abgeleitet von den bretonischen Wörtern „Men“ (Stein) und „hir“ (lang). Im bretonischen Carnac stehen Steinreihen mit ursprünglich über 3000 Menhiren. Dieser hier, erfahren wir, gehörte zu einem Konglomerat prähistorischer Tempel und Gräber in der Gegend.

Graffiti einer Galeere

Graffiti einer Galeere

Dem Graffiti einer Galeere verdankt die Höhlenwohnung (im Bild darunter) ihren Namen: Cave of the Galley. Solchen Ritzzeichnungen von Schiffen, die man in Malta vorwiegend an den Außenwänden von Kirchen und Kapellen entdecken kann, widmet das Buch „Abseits“ ein eigenes Kapitel. Sie seien vermutlich von Seeleuten geritzt, entweder als Dank für eine überstandene schwere Überfahrt „oder als Fürbitte, dass sie auch bei der nächsten Passage ihr Ziel sicher erreichen mögen“.

Höhlen waren in Malta noch bis ins 19. Jahrhundert von Menschen bewohnt. Sie waren kühl im Sommer und warm im Winter. Von der Steinzeit bis zur Antike wurden sie vermutlich als Begräbnisstätten genutzt.

Girna

Girna

Diese Girna erblickt man auf einem Feld etwas abseits vom Hauptweg. Solche Feldhütten aus Trockensteinmauerwerk stehen vor allem im Norden Maltas. Sie haben eine innere und äußere Mauer und runde, ovale rechteckige oder quadratische Formen. Als runde Kuppelbauten fallen sie am meisten auf. Seit wann Giren in Malta gebaut wurden, ist unbekannt; dokumentiert sind sie seit dem 16. Jahrhundert. Heute dienen sie den Bauern als Unterstände oder zur Aufbewahrung von Gerätschaften. In der Vergangenheit waren einige Exemplare auch bewohnt.

Auf dem Weg werden Sie drei einzigartige alte Bienenhäuser (Apiaries) entdecken. Das Älteste dürfte ca. 2000 Jahre alt sein. Denn schon zu Römerzeit war Honig neben feinem Tuch ein bedeutender Exportartikel der maltesischen Inseln. Das haben schon Generationen von Lateinschülern erfahren, die sich durch Ciceros leidenschaftliche Anklage gegen Gaius Verres quälen mussten, allerdings mit dem Lohn, ein Rhetorik-Genie erleben zu können. Cicero zeichnet vor Gericht ein Bild von Verres als eines gierigen und korrupten Statthalters der Provinz Sizilien, zu der Malta damals gehörte und wirft ihm auch Honigklau vor. Doch davon später. Die Römer hatten die punische Bezeichnung für Malta, Malet = Zufluchtsort, in Melita geändert, sehr wahrscheinlich abgeleitet von Mel, dem lateinischen Wort für Honig. Auch heute wird Malta gelegentlich in Reisekatalogen als „Die Honiginsel“ angepriesen, was sich wohl mehr auf seine honigfarbenen Felsen bezieht.

Verres: Ein römischer Statthalter wird zum Honigdieb

Jener Verres hatte seine Statthalterschaft vorwiegend zur persönlichen Bereicherung genutzt und ließ per Schiff unter anderem aus Malta in den Hafen von Syrakus auf Sizilien alles heranschaffen, wessen er habhaft werden konnte, darunter eben auch Honig. Auf die Schliche kam ihm Cicero nach Prüfung der Bücher der Hafengesellschaft. In denen entdeckte er nämlich Fälschungen, die verschleiern sollten, dass Verres mit Duldung der Gesellschaft keine Zölle auf die Einfuhren entrichtete.

„Non quaero unde cccc amphoras mellis habueris…“, begann Cicero im Jahre 72 vor Christus diesen Teil seiner viele Kapitel umfassenden Anklage. „Ich frage nicht, woher du die vierhundert Fässer Honig gehabt hast und die ganzen Malteserstoffe und die fünfzig Esszimmerdiwane und die Menge Kandelaber“, klagt Cicero (in der bei Reclam erschienenen Übersetzung von Friedrich Spiro), um dann süffisant fortzufahren „Woher du es nahmst, das geht uns jetzt nichts an, wohl aber möcht' ich wissen, wozu du diese Masse brauchtest. Vom Honig sprech' ich nicht weiter, aber Malteserstoffe waren es ja so viel, als wolltest du auch die Frauen deiner Freunde versorgen, und Diwane so viel, als wolltest du alle ihre Villen neu möblieren!"

Wie Urnengräber erscheinen die in den Fels gehauenen bogenförmigen Einflugschneisen der Bienen. Vielleicht waren die Apiaries tatsächlich erst Grabstätten, bevor sie zu Bienenhäusern wurden. Gesammelt wurde der Honig in rohrförmigen Tongefäßen, die sich hinter den Alkoven, den Einfluglöchern befanden. Sie waren auf einer Seite offen und auf der Einflugseite, bis auf kleine Löcher für die Bienen, geschlossen. Diese traditionelle Bienenhaltung, oft wurden die Tongefäße einfach in Johannesbäume gehängt, gab es in Malta bis in die 1950er Jahre. Heute werden nur noch die üblichen Holzkisten mit beweglichen Fächern als Bienenhäuser verwendet. Dadurch lassen sich Bienenkrankheiten besser kontrollieren. Ohnehin gilt die endemische Maltesische Biene Apis Mellifera Ruttneri als gefährdet.

Die von den Römern gebaute Straße wurde später auch Teil eines Pilgerwegs zum Heiligtum unserer Lieben Frau von Mellieħa (Sanctuary of Our Lady of Mellieħa, ca. 14. Jahrhundert). Häufig machten die Pilger sich auf diesen Weg, um ein Gelübde einzulösen, gelegentlich legten sie ihn als freiwillig auferlegte Buße in Ketten zurück. Die eingeritzten (und nachträglich durch schwarze Farbe sichtbar gemachten) Kreuze und andere am Fels angebrachte Symbole zeugen davon, dass Pilger diesen Weg gegangen sind. Freilich ist der Weg nach Mellieħa mit ca. 3 km nicht besonders lang, wenn man ihn in Xemxija beginnt.

Einen Baum zu umarmen, mag eine sinnliche Erfahrung sein. Bei diesem Johannisbrotbaum, ein Highlight des Heritage Trail, dürfte Umarmen schwerfallen: Er hat einen Umfang von mehr als sieben Metern. Aber Verlieben kann man sich in dieses imposante 1000 Jahre alte Exemplar durchaus. So muss es auch Frans Scerri, dem unermüdlichen Betreuer und Mitinitiator des Heritage Trail gegangen sein, der dem Baum 1999 ein Gedicht widmete, das man auf zwei in der Nähe angebrachten Tafeln (in Malti und Englisch) lesen kann (Bild unten). Die Hülsenfrüchte des Baumes, das Johannisbrot, sind hier noch grün. Als reife, braune Früchte dienen sie als Tierfutter, sie werden aber auch zu einem Sirup gegen Husten verarbeitet oder zu Karamelli, eine Süßigkeit, die man in Malta vorwiegend in der Woche vor Ostern zu sich nimmt.

Die Pflanzenwelt der maltesischen Inseln hat für den eiligen Besucher nichts Spektakuläres auf Lager, schon gar nicht die Tierwelt. Pflanzen-, Reptilien- und Insektenforscher- erleben das anders. Diese entdecken auf den maltesischen Inseln so Einiges, was sie als endemisch (als nur hier anzutreffen) bezeichnen. Für uns Irdische und wissenschaftlich in dieser Hinsicht unbeleckte genügt es aber auch manchmal, mit etwas Liebe zum Detail auf die Erde zu schauen, um Schönes zu entdecken. Wissenschaftliche Überlegungen werden hier nicht angestellt, man fragt sich vielmehr, ob das untere Ensemble auch als Fototapete durchgehen könnte. Was meinen Sie?

Da der Heritage Trail nicht künstlich angelegt wurde, sondern auf einer alten Straße verläuft, folgen seine Geschichtszeugnisse auch nicht einer Zeitreihe. Seiten Sie also auf Zeitsprünge gefasst. Ganz oben eine Begräbnishöhle (Cave of Burials), vermutlich aus der Bronzezeit, die vermutlich in der Römerzeit um mehrstöckige Grabkammern (Arcosolia) erweitert wurde. Die beiden Bilder darunter sind Ansichten einer aus losen Bruchsteinen gemauerten Bauernhütte (Farmers Hut). Deutlich neueren Datums und vor nicht allzu langer Zeit unter Verwendung der ursprünglichen Steine wieder aufgebaut, mörtellos wie zuvor. Möglicherweise war die Hütte die Dependance einer benachbarten Höhlenwohnung (Bild unten).

Felsgräber wie diese (Bild oben) sind das Bedeutendste, das man auf dem Xemxija Heritage Trail zu sehen bekommt. Sechs dieser Gräber wurden von dem britischen Archäologen John Davies Evans 1956 ausgegraben. Sie gehören, wie man auf der Hinweistafel erfährt, zur Ġgantija-Phase (benannt nach dem megalithischen Tempel von Gozo) und datieren damit etwa 3.600 Jahre vor Christus. David H. Trump, ein Kollege von Evans, ist der Ansicht, dass es auch prähistorische Siedlungsformen in dieser Gegend von Malta gegeben haben muss.

Wieder ein Zeitsprung: Verteidigungsposten aus dem 2. Weltkrieg, auf Englisch Pillbox genannt.

Dieses Römische Bad in einer Felshöhle wurde erst vor etwa 20 Jahren entdeckt. Vermutlich war es ein Privatbad, das zu einer Villa gehörte, hat also nicht viel gemein mit den urbanen Thermen, welche die Römer an vielen Orten in Europa hinterlassen haben. Aber auch hier gab es zumindest Tepidarium (ein trockenes Wärmebad) und Caldarium (heiß und feucht, unseren Saunen sehr ähnlich). Die Anlage wurde nur in einer relativ kurzen Zeit ihrer Geschichte überhaupt als Bad genutzt, war, wie wir den Hinweistafeln entnehmen, durch Risse und Senkungen unbrauchbar geworden. In vorrömischer Zeit (ca. 500 v. C.) diente sie als Grabstätte. Und im 17. Jahrhundert wurde eine Mauer vor die Höhle gesetzt mit einer bogenförmigen Tür, wohl als Eingang zu einer Wohnhöhle.

Blick auf Selmun Palace in Mellieħa

Blick auf Selmun Palace in Mellieħa

Von einer Terrasse gegenüber dem Römerbad erblicken wir im Mistra Valley ein Razzett, ein typisches maltesisches Farmhaus. Seine Bauweise wird auf einer Hinweistafel ausführlich beschrieben. Aus der Blickrichtung rechts vor dem Farmhaus erkennt man das Mistra Gate. Es lohnt sich, dieses schöne Tor aus der Nähe, also von der Straße aus anzusehen. Es ist „gekrönt“ vom Wappen von Manuel Pinto, Großmeister des Malteserordens von 1741 bis 1773. Das gesamte Anwesen gehörte zur Zeit der Malteserritter einem Finanzinstitut mit Namen Monte della Redenzione degli Schiavi, das sich auf den Freikauf von Leuten aus Malta spezialisierte, die in die Sklaverei durch Ottomanen und Piraten geraten waren. Auch der Selmun Palace in Mellieħa, den man auf dem Heritage Trail in der Ferne erblickt, gehörte zu diesem Institut. Auf dem Xemxija Hill werden Ihnen auch Exemplare jener prähistorischen Cart Ruts (Karrenspuren) begegnen. Das sind parallel verlaufende Schleifspuren, die zu deuten schon viele Wissenschaftler versucht haben, mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen.