Maltas Kunstmuseum
Vier gute Gründe, das MUŻA zu besuchen
Das Kunstmuseum MUŻA in Valletta, Ende 2018 eröffnet, ist nicht nur das jüngste staatliche Museum Maltas, sondern auch das modernste. Wir nennen Ihnen vier gute Gründe, warum sich ein Besuch lohnt.
1. Sich von einem etwas anderen Konzept inspirieren lassen
MUŻA ist ein Akronym für MUzew Nazzjonali tal-Arti (Nationales Kunstmuseum). Muża ist gleichzeitig das maltesiche Wort für Muse, eine Anspielung auf die antiken griechischen Göttinnen der Künste. Das Wort muża steht aber auch für „Inspiration“, und es könnte die Absichten der Museumsgestalter nicht besser beschreiben: Das Projektteam um den ehemaligen Museumsdirektor Sandro Debono hat ein modernes Konzept realisiert, das die Besucher dazu inspirieren soll, die Kunstwerke in neuen Zusammenhängen zu erleben.
Während „klassische“ Museen die Schönen Künste nach Kunstepochen oder -stilen geordnet darbieten, will das MUŻA Geschichten erzählen. Das Museum präsentiert seine Auswahl aus der 20.000 Werke umfassenden staatlichen Sammlung als vier Erzählungen (in der Kunstwissenschaft wird auch gerne von „Narrativ“ gesprochen): "The Mediterranean" (Das Mittelmeer), "Gate to Europe" (Tor zu Europa), "The Empire" (Das Empire) und "The Artist" (der Künstler, die Künstlerin).
MUŻA - The Malta National Community Art Museum
Adresse: Auberge D’Italie,
Merchant Street, Valletta, T: +356 21 220 006
Website: http://muza.heritagemalta.org/
Facebook: https://www.facebook.com/muzamalta
Öffnungszeiten und Eintritt:
Donnerstag bis Sonntag 10:00 bis 16.30 Uhr.
Hinweis: Während der COVID-Pandemie ist mit Änderungen des Zugangs und der Öffnungszeiten zu rechnen. Näheres auf der Website oder der Facebook-Seite des Museums. Eintritt: 5 Euro (div. Ermäßigungen), in Kombination mit der Palace Armoury: 10 Euro.
Unser Tipp:
Das Museum hat eine sehr gut gepflegte Facebook-Seite. Fast täglich wird ein Werk aus der umfangreichen nationalen Kunstsammlung vorgestellt. Man kann sich aufschlussreiche Videos von Kuratoren und Restauratoren ansehen und sich über aktuelle Veranstaltungen informieren lassen.
In der Sprache und mit den Stilmitteln der Kunst erzählt, spiegeln diese Geschichten die geografischen, historischen und kulturellen Besonderheiten Maltas wider. Wie uns auf der Facebook-Seite des Museums erklärt wird, zeigen etwa die Werke in der Abteilung Mediterranean, „wie das Mittelmeer die maltesischen Inseln von anderen Gesellschaften getrennt und gleichzeitig mit ihnen verbunden hat. Diese Insellage war verantwortlich dafür, wie, wann und warum künstlerische Strömungen die maltesische Kulturszene im Laufe der Zeit beeinflusst haben“.
Die Werke in der Abteilung Gate to Europe lassen ahnen, wie die Herrschaft des paneuropäischen Johanniterordens (1530 – 1798) die Kunst und die Architektur Maltas prägte. Die Ritter, die aus europäischen Adelsfamilien stammten, ließen die italienischen, französischen, deutschen und niederländischen Kunststile in Malta Fuß fassen. Und insbesondere die Johanniter-Gründung Valletta verdankt nicht nur ihre Architektur, sondern auch ihre künstlerische Ausschmückung im Wesentlichen dem Orden als Auftraggeber. Herausragendes Beispiel ist der italienische Maler Mattia Preti, der selbst ein Malteserritter wurde. Nach seinen Plänen wurde das prachtvolle Innere der außen so schlichten Konventskirche der Ritter, der St. John’s Co-Cathedral in Valletta, ausgestaltet. Leider war der Raum, in dem künftig die Gemälde des italienischen Barockmalers ausgestellt werden sollen, noch nicht eingerichtet, als „Valletta | Das Journal“ das Museum besuchte.
Die Werke in der Abteilung The Empire erzählen von Malta während der britischen Herrschaft und bezeugen den Einfluss der Briten auf die Kunstszene des Landes. Malta war von 1814 bis 1964 britische Kronkolonie.
Die vierte Geschichte, schlicht "The Artist" genannt, stellt ausgewählte Künstler mit besonderem Bezug zu Malta vor. Seit der Eröffnung sind dies zwei Künstler des 20. Jahrhunderts: Der maltesische Bildhauer Antonio Sciortino und der britische Maler Victor Pasmore (siehe Punkt 2).
Mit diesem Konzept versteht sich das MUŻA als Community Museum, das im Austausch mit den Bürgern und den Besuchern zur Teilhabe ermuntern soll. Dafür sorgen auch museumspädagogische Veranstaltungen und interaktive, audiovisuelle Medien, welche die Exponate begleiten. Ab Spätsommer 2021 will das Museum auch Räume für Ausstellungen und Projekte öffnen, um die sich Künstler und Kuratoren aus der „Community“ derzeit (Stand November 2020) bewerben können.
2. Victor Pasmore und Antonio Sciortino erleben
Zwei Künstler stehen im Zentrum der Abteilung The Artist: Antonio Sciortino, der maltesische Bildhauer, der ein Gutteil seines Lebens in Rom verbrachte und Victor Pasmore, der britische Vertreter der abstrakten Malerei, der 1966 nach Malta zog und dort bis zu seinem Tod lebte und arbeitete.
Wahrscheinlich sind Sie als Malta-Besucher Skulpturen von Antonio Sciortino (1897 – 1947) schon begegnet, bevor sie im MUŻA wieder auf seine Werke treffen. Vielleicht haben Sie die Statue „Christ the King“ in Floriana vor den Toren Vallettas bereits gesehen. Das Monument wurde zur Erinnerung an den Eucharistischen Weltkongress in Malta 1913 errichtet. Vielleicht standen Sie auch schon in Valletta vor dem Great Siege Monument, mit dem der Belagerung durch die Türken 1565 gedacht wird. Sciortino hat es 1926 während seiner Zeit in Rom gefertigt. Und wenn Sie durch die Upper Barrakka Gardens in Valletta geschlendert sind, haben Sie vermutlich die Skulptur „Les Gavroches“ gesehen. Zu dieser Straßenkinder-Szene, die uns in die Zeit der französischen Revolution versetzt, wurde Sciortino durch Victor Hugos Les Misérables inspiriert.
Was man in den Upper Barakka Gardens betrachten kann, ist aber nur eine Replika. Das Original steht im MUŻA – zusammen mit vielen anderen Werken des Bildhauers. Sein wohl ehrgeizigstes – letztlich aber nicht realisiertes – Projekt, war das Denkmal für den Unbekannten Soldaten (Temple of the British Empire to the Unknown Soldier), das In London aufgestellt werden sollte. Im MUŻA kann man nicht nur das Original-Gipsmodell bestaunen, sondern auch einen 3-D-Flug durch das Innere des geplanten Bauwerks erleben. Interessant zu wissen: Sciortino war von 1937 bis zu seinem Tod selbst Kurator des Malta Museum of Fine Arts, des Vorgängermuseums des MUŻA.
Victor Pasmore (1908 – 1998) war einer der einflussreichsten britischen Vertreter der abstrakten Malerei. Viele seiner Werke entstanden in Malta. Das MUŻA widmet Pasmore einen eigenen Ausstellungsbereich. Um die Gemälde von Pasmore herum sind auch Werke von maltesischen Künstlern gruppiert, die von Pasmore inspiriert wurden. Ein Video gibt Einblick in Pasmores Persönlichkeit, Leben und Denken und lässt den Künstler auch selbst zu Wort kommen.
3. Eine geografische und kulturelle Zeitreise durch Malta unternehmen
Mit deutlich über 1000 Einwohnern pro Quadratkilometer gehört Malta zu den am dichtesten bevölkerten Staaten der Welt. Dies und das anhaltende demografische und ökonomische Wachstum erzeugen eine enorme städtebauliche Dynamik. Immer mehr Landschaft wird von Besiedelung zurückgedrängt. Wer daher erfahren will, wie es auf den maltesischen Inseln früher aussah, findet anhand der im MUŻA ausgiebig gezeigten Landschaftsmalerei Gelegenheit für eine Zeitreise mit den Mitteln der Kunst.
Besonders lohnt sich diese Zeitreise anhand der Gemälde und Zeichnungen, die den Grand Harbour zeigen, den großen natürlichen Hafen, der Valletta von der offenen See und den Three Cities trennt. Über die Jahrhunderte, bis zur Einführung des Linienflugverkehrs, erreichte man Malta nur auf dem Seeweg, und der imposante Hafen war das Erste, was Reisende von Malta zu sehen bekamen. Von der Ära der Malteserritter bis zur britischen Kolonialzeit hat der Hafen Künstler stets aufs Neue zu Bildern inspiriert. Giuseppe Caloriti (1681 – ca. 1740), der Schweizer Abraham Louis Rudolphe Ducros (1748 – 1810), Gerolamo Gianni (1837 – 1895), der britische Dichter und Maler Edward Lear (1812 – 1888) und nicht zuletzt Anton Schranz (1769 – 1839) und weitere Angehörige der deutschen, in Malta heimisch gewordene Malerfamilie. Sie alle und viele weitere Künstler haben den Hafen gemalt. Auch eine Hafenszene von William Turner gehört zum MUŻA, obgleich dieser wohl niemals selbst auf Malta war.
Was leider (noch) in der staatlichen Sammlung fehlt, aber wunderbar ins MUŻA passen würde, sind Grafiken des Niederländers M.C. Escher (1898 – 1972), der offenbar besonders von Senglea fasziniert war und diese am Grand Harbour gelegene Stadt (eine der Three Cities) mehrmals zeichnete, zuletzt in seinem ureigenen, die Perspektiven überzeichnenden Stil.
Fällt der Kontrast zur Gegenwart bei den Ansichten vom Grand Harbour dank des Denkmalschutzes noch eher milde aus, so wird man ihn bei dem Gemälde „View of Manoel Island“ des maltesischen Malers und Architekten Giorgio Pullicino (1779 – 1851) als frappierend erleben. Es zeigt die Marsamxett-Bucht, auf der dem Grand Harbour abgewandten Seite von Valletta gelegen. Der Blick geht, fast wie eine Luftaufnahme, über die Manoel Island auf Valletta und weit darüber hinaus. Heute ist die Marsamxett-Bucht der Hafen für Jachten, Ausflugsboote und die Fähre Sliema-Valletta. Und was zeigt uns der Künstler im Vordergrund? Man möchte es nicht glauben: Kornfelder so weit man blickt. Dort, wo heute die Wohnblocks, Büros, Läden, Restaurants, Bars und Hotels der nur durch das Ortsschild getrennten Städte Msida, Ta' Xbiex, Gzira und Sliema stehen, erblickt man auf Pullicinos Gemälde gerade mal ein Farmhaus.
Das Erlebnis einer Reise durch die Zeit wird auch unterstützt durch Exemplare aus der „Albert Ganado Malta Map Collection“, einer großen Kollektion von historischen Landkarten der maltesischen Inseln, die der Historiker und Jurist Albert Ganado (* 1927) der staatlichen Kunstsammlung gestiftet hat.
Und wer sich bei allem Wandel der Beständigkeit maltesischer Bräuche und Festivitäten vergewissern will, der findet ebenfalls die passenden künstlerischen Zeugnisse. Das zeigen Gemälde wie Giannis Straßenmusikanten in traditioneller maltesischer Tracht und mit traditionellen Instrumenten oder Edward Caruana Dinglis, “L-Imnarja Celebration at Boschetto” vom (jährlichen) Fest an „St. Peter und Paul“ in den Buskett Gardens, Maltas Wäldchen.
4. Die Auberge d‘Italie von innen sehen
Von den 70er Jahren bis 2016 war das National Museum of Fine Arts in einem Palast aus dem 18. Jahrhundert in der South Street von Valletta untergebracht. Mit dem Umzug in die Auberge d’Italie, den ehemaligen Palast der italienischen Landsmannschaft der Malteserritter und der Wiedereröffnung unter dem Namen MUŻA im Dezember 2018 hat Malta sein Kunstmuseum zurückerhalten, und es ist schöner, größer und moderner als das bisherige Museum.
Die Malteser haben für den 10 Mio. Euro teuren, aus Mitteln der EU co-finanzierten Umbau des Palazzo in der Merchant Street auch noch etwas anderes erhalten: Die einzige ehemalige Ritterherberge, die für die Öffentlichkeit frei zugänglich ist. Denn zu den normalen Öffnungszeiten kann man in den Palast hineingehen, auch ohne das Museum zu besuchen. Der schöne Patio und das Restaurant sind öffentlicher Raum. Und das ist keinesfalls selbstverständlich. Denn von den fünf noch erhaltenen ehemaligen Auberges der Landsmannschaften (Zungen) des paneuropäischen Malteserordens in Valletta sind drei der maltesischen Regierung oder Regierungsbehörden vorbehalten, allen voran die prachtvolle Auberge de Castille als Sitz des Premierministers. Ansonsten dient nur die Auberge de Provence keinem Amt, denn dort ist das National Museum of Archeology untergebracht.
Die Aubere d’Italie lässt sich über zwei öffentlich zugängliche Eingänge betreten. So kann man etwa an der Pjazza Jean de Valette hineingehen, am Restaurant (stilvoll, entspannte Atmosphäre, beliebter Treffpunkt!) vorbei in den schönen Patio gelangen und durch den heutigen Haupteingang in der Merchant Street wieder herausgehen.
Aber auch die prachtvolle Auberge d’Italie hat schon vielen Zwecken gedient. Sie wurde 1574 für die italienische Zunge des Ordens errichtet und 1683 unter Großmeister Gregorio Carafa zu ihrer heutigen Größe ausgebaut. Die italienischen Ritter leisteten sich im Inneren des Palastes auch ein eigenes Theater, längst bevor das Manoel Theater in Valletta 1732 öffnete. Die an den Palast angrenzende Kirche der italienischen Zunge, die Chiesa di Santa Caterina d'Italia, mit einem Altarbild von Mattia Preti, ist noch heute Pfarrkirche der italienischen Gemeinde in Malta. Nach der Vertreibung der Malteserritter und der Besetzung Maltas durch Napoleon war der Palast kurzzeitig Kommandantur der französischen Truppen.
Unter britischer Herrschaft ab 1800 wurde die ehemalige Auberge abwechselnd von militärischen und zivilen Verwaltungen genutzt, zeitweise sogar als Poliklinik. Immerhin: Von 1922 an beherbergte der Palast das Museum von Valletta, zu dem auch schon die Abteilung für die schönen Künste gehörte. Das Museum musste aber 1954 der Rechtsprechung Platz machen: Der Palast wurde Sitz des Gerichts für Strafsachen (Criminal Court). Ab den 70er Jahren diente das Gebäude unter anderem als Hauptpostamt, Sitz verschiedener Regierungsbehörden, des Tourismusministeriums und der Tourismusbehörde.
Die Arbeiten an und später im Gebäude zur Umwandlung in ein Kunstmuseum begannen 2015. Heute zeigt sich der Palast, der im 2. Weltkrieg schwere Beschädigungen durch Bombeneinschläge hinnehmen musste, im Innern modern und von Licht durchflutet. Die Wände sind vorwiegend weiß getüncht, teilweise wurde das Mauerwerk unverputzt belassen. Rundbögen und Sprossenfenster stellen den Bezug zur Vergangenheit her. Noch wird am Innenausbau weiter gearbeitet, und neue Räume für die umfangreiche Sammlung werden hergerichtet.
Dabei gab es positive und negative Überraschungen. So entdeckte man, und das ist die positive Überraschung, während der Umbauarbeiten für das MUŻA hinter einer Tür Fragmente der Haupttreppe aus dem 19. Jahrhundert des Palastes, die von ihrer Demolierung um das Jahr 1850 übriggeblieben waren. Dem Weg der ehemaligen Treppe folgend, haben die Innengestalter des Museums eine neue konstruiert, unter Verwendung von Glas sowie einer Kupfer-Aluminium-Legierung, namens TECU. Dieses Material wird dort eingesetzt, wo es gilt, „verloren gegangene Elemente oder Unterschiede in den historischen Niveaus hervorzuheben und um als Erinnerung zu dienen, an das, was einmal war“, wie wir auf der Facebook-Seite des Museums erfahren.
Eine unangenehme Überraschung erlebte das Museum, als im Sommer 2019 viele Exponate aus dem MUŻA entfernt werden mussten, eine präventive konservatorische Maßnahme, wie die staatliche Museumsverwaltung mitteilte. Ein Grund wurde nicht genannt, doch in maltesischen Medien war von Schimmel die Rede. Allerdings durften die Kunstwerke nach wenigen Wochen wieder an ihren alten Platz zurück.
Gut zu wissen: Das MUŻA ist ein Nullenergiegebäude (Net Zero Building). Den Energiebedarf decken photovoltaische Zellen auf dem Dach des Gebäudes, während u. a. eine Mehrfachverglasung und ein intelligentes LED-Beleuchtungssystem den Verbrauch reduzieren helfen.