Buchbesprechung: »Secret« von Anke Jablinski

Das Glück ist manchmal kaum zu fassen

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Kann das gut gehen? Die obdachlose Porträtzeichnerin Josephine schleicht sich an Bord der Segeljacht „Secret“ des ihr unbekannten Skippers Peter. Als sie, von Peter entdeckt, nach stundenlangem Schweigen, die ersten Wörter herausbringt, hat die Jacht den Hafen Split schon verlassen und segelt vor der kroatischen Küste. Sie ist auf der Jacht willkommen, erhält den Kosenamen „Große Katze“, weil es an Bord auch noch eine Straßenkatze gibt, von Peter „kleine Katze“ gerufen.

So beginnt der Roman über eine Beziehung zwischen zwei Menschen, die der Zufall zusammengeführt hat und die sich immer mehr aufeinander zu und gemeinsam in die richtige Richtung bewegen.

Dabei könnten die beiden, so hat es den Anschein, unterschiedlicher nicht sein. Sie, psychisch wie finanziell ausgebrannt, äußerlich verwahrlost, Frustsäuferin – wenn auch durchaus noch in der Lage, guten Rotwein von billigem Fusel zu unterscheiden. Am Beginn der Geschichte hat sie den Tiefpunkt erreicht; sogar das Porträtzeichnen, mit dem sie sich bei den Touristen etwas Geld für das Allernötigste verdient, will sie aufgeben. Er, offenbar wohlhabend, von gepflegter sportlicher Erscheinung und in jedem Hafen der Liebling der anderen Skipper, mit denen er auf den Terrassen der Hafenrestaurants zusammensitzt, und die er zu Champagner und Antipasti einlädt.

Erst wenn sie während der langen Seereise ihre Vorgeschichten voreinander ausbreiten, wird klar, dass beide ähnlich intensiv Verwundungen erlebt haben, die den Arm-Reich-Unterschied in den Hintergrund treten lassen. Hier bietet Anke Jablinski alles auf, was ihren Roman daran hindert, in seichtes Fahrwasser abzudriften: Betrug, Erbschleicherei, Verlust durch Tod, Misshandlung von Schutzbefohlenen. Erträglich wird das Ganze nur dadurch, dass das Erlebte Vergangenheit ist und die beiden auf gutem Wege sind, ihre Traumata und deren Folgen zu überwinden. Peter ist auf diesem Weg schon weiter fortgeschritten. Dabei hilft ihm allerdings auch seine finanzielle Ausstattung. Er leistet sich professionelle Hilfe, während Josephine noch gelegentlich versucht, ihren Kummer in Alkohol zu ertränken.

Aber sie hat ja Peter, der dafür sorgt, dass dies nicht mehr häufig passiert. Überhaupt ist Peter derjenige, der nicht nur als Einhandsegler die Jacht auf Kurs hält, sondern auch die Beziehung. Er hat den Kompass. Ihm wird eine „soziale Intelligenz“ zugeschrieben. Dabei nutzt er ein unwiderlegbares Argument: Auch wenn er alles von ihr fernhält, was mit dem Segeln und der Navigation zu tun hat, macht er Josephine klar, dass ein Segeltörn, noch dazu, wenn er durch mehrere Länder führt, auch von Mitreisenden bestimmte Regeln und eine stabile Gesundheit abverlangt: Segeln als Therapie. Auf dem Programm stehen auch Bluttests, Teil-Zahnersatz, Mäßigung des Alkoholkonsums. Peter „verordnet“ den beiden sogar eine mehrwöchige Zwangstrennung. Er, auf der „Secret“ in einer Bucht vor Anker, sie in einem von ihm gebuchten Luxushotel, die wohl größte Herausforderung für Josephine auf dieser Reise.

Peter besaß eine soziale Intelligenz, die sie immer schon bewundert hatte, und mit jedem Tag wurde deutlicher, dass er sie bewusst in dieses Loch hatte werfen wollen, damit sie sich herauszog und dadurch Kraft schöpfte.

So erlebt Josephine an sich eine Verwandlung, die entfernt an die von Eliza Doolittle erinnert. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass Peter kein zynischer Professor Higgins ist, sondern ein mitfühlender Partner.

Der sogar zu verstehen scheint, dass sich Josephine fast in jedem Hafen, den die „Secret“ anläuft, auf die Spur von verflossenen Liebhabern macht. Obwohl die meisten dieser Beziehungen ihr nicht gutgetan haben, muss sie die Verflossenen unbedingt wieder treffen, oder in einem Fall, der Ex-Partner lebt nicht mehr, dessen Eltern. Braucht sie dieses Widersehen, um sich von diesen Beziehungen endgültig zu lösen, als eine Art Abschiedstournee? Oder ist sie, wie Peter klug feststellt, immer noch in ihnen gefesselt?

»Und Zypern«, ergänzte Josephine mit Bestimmtheit. »Meinetwegen auch Zypern. Wie hieß denn dort der Freund?« »Michael«.

Wie wird uns diese Geschichte erzählt? Hier begegnet uns wieder dieser unprätentiöse Schreibstil, der auch schon Jablinskis autobiografischen Roman „Klettermax“, dem (darin geschilderten) Trauma zum Trotz, lesbar gemacht hat. Jablinski erzählt ohne Umschweife, vermeidet sprachverliebte Metaphorik, kommt schnell zum Punkt. Im Wechsel zwischen kurzen und – nicht allzu – langen Sätzen sowie Dialogen entsteht ein Sprachrhythmus, der einen einfach weiterlesen lässt, sobald man das Buch aufgeschlagen hat.

Um was für eine Geschichte handelt es sich? Dass es kein Psychothriller wird (Blinde Passagierin allein auf Jacht mit Unbekanntem) spürt man schon im ersten Kapitel. „Secret“ ist vielmehr die ideale Reiselektüre. Der Segeltörn, der die beiden von Kroatien, über Korfu, Zypern schließlich nach Malta führt, bildet den äußeren Rahmen. Unaufdringlich erfährt man interessante Details zur Geografie und Geschichte der Stationen, bisweilen sogar über endemische Krankheiten. Reiselektüre aber auch, weil die Geschichte bei aller Dramatik ihre Leichtigkeit behält. Die gegenwärtigen Stürme dauern nur kurz, die wirklichen Katastrophen sind Vorgeschichte und über weite Strecken scheint sich die Geschichte auf sicherem Kurs in Richtung Happy End zu bewegen. Mehr als einmal knüpft auch Käpten Zufall am Beziehungsknoten und führt die beiden Protagonisten enger zusammen. Und manchmal ist das Glück, dass den beiden begegnet, kaum zu fassen.

Auf die Leser wartet eine unterhaltsame, klug konstruierte, optimistische Liebesgeschichte. Ideal als Lektüre vor, während oder nach einer Reise.

Anke Jablinski
SECRET
Die Geschichte vom Einhandsegler, Katzen und Schmetterlingen ...
240 Seiten, Softcover
2022
Verlag: p.machinery. Aus der Reihe Erlebnis Malta.
ISBN: 978-3-95765-272-0
Auch als E-Book erhätlich.