Interview zu Valletta 2018
Was beeindruckt Sie am Programm für Valletta 2018, Frau Voigt?
Verena Voigt hat sich ganz der Kultur-Kommunikation verschrieben. Die Journalistin, Kuratorin und Inhaberin einer PR-Agentur in Kiel bereist Malta seit 2010. Mitte des Jahres hat sie zusammen mit ihrem Lebensgefährten eine Wohnung in Xemxija bezogen. So kann sie vor Ort sein, wenn Valletta sich im nächsten Jahr als Europäische Kulturhauptstadt präsentiert. Wir sprachen mit ihr über die Kunstprojekte im 228 Seiten starken Programm.
Valletta | Das Journal: Das Programm für das Kulturhauptstadt-Jahr liegt seit kurzem vor. Was ist Ihr erster Eindruck? Wie wirkt das Konzept auf Sie?
Verena Voigt M. A.
Die studierte Kunsthistorikerin ist Journalistin, PR-Beraterin und Kuratorin. Sie ist Inhaberin einer Agentur für Kultur-Kommunikation
Geographisch umspannt ihr Wirkungsfeld derzeit Kiel (wo sie ihren Wohnsitz hat), Münster, Osnabrück, Berlin und Xemxija auf Malta (wo sie Mitte 2017 eine Wohnung bezogen hat).
Malta bereist und beobachtet sie seit 2010.
Verena Voigt: V 18 ist ein ambitioniertes, enthusiastisches und inspirierendes Konzept. Es ist gleichermaßen international, europäisch und maltesisch. Dabei folgt es höchsten Qualitätsansprüchen, verspricht unterhaltend, provozierend, partizipativ zu werden und gibt künstlerischen wie gesellschaftlichen Veränderungsprozessen Raum. Wie keine europäische Kulturhauptstadt zuvor, stellt Valletta seine euro-mediterrane Identität zur Exposition, beteiligt Künstler an Reflexionsprozessen und erzeugt neue Sichtweisen auf ein Europa, das sich derzeit täglich selbst neu erfindet. Konzeptionell ist alles mit gutem Vorlauf und Weitblick gewachsen, auf Nachhaltigkeit angelegt und bezieht die Bevölkerung in Malta bereits in 2017 mit ein.
„Mich freut besonders, dass Maren Richter und Rosa Martinez in das Programm eingebunden sind“
Als Kunsthistorikerin freut es mich besonders, dass Maren Richter und Rosa Martinez in das Programm eingebunden sind und jeweils ein Projekt in Malta kuratieren. Maren Richter hat schon Kulturhauptstadt-Erfahrung. Die Österreicherin war Kurator und Projektentwicklerin für zeitgenössische Kunst für Linz 2009. Und sie war 2012 die künstlerische Leiterin der Regionale, das ist ein alle zwei Jahre stattfindendes Festival für Gegenwartskunst in der Steiermark. Rosa Martinez und María de Corral, ebenfalls aus Spanien, waren 2005 die ersten Frauen, die das Direktorat der internationalen Ausstellung der Venedig-Biennale bildeten.
Valletta | Das Journal: Richter und Martinez, zwei Frauen mit internationalem Renommee also, die bisher schon erfolgreich Kunst für ein großes Publikum erlebbar gemacht haben. Was werden wir in Malta unter ihrer Regie zu sehen bekommen?
Voigt: Richter leitet das inselübergreifende Projekt Dal-Baħar Madwarha…
Valletta | Das Journal: … abgeleitet von “Il-gżira hija dik imdawra mill-baħar”, und damit, wie uns nicht Malti sprechenden Lesern des V18-Programmheftes erläutert wird, vom Satz des französischen Philosophen Gilles Deleuze, „die Insel ist das, was das Meer umgibt“.
Voigt: Und, um eben das Insulare an Malta künstlerisch zu erforschen, dazu hat Richter 25 maltesische und internationale Künstler eingeladen. Sie werden dem mit Installationen, Performances und Interventionen nachgehen.
Valletta | Das Journal: Und Rosa Martinez?
Voigt: Ihr Projekt „Constellation Malta“ bezieht die Nachbarinsel Gozo mit ein, und untersucht das Verhältnis von zeitgenössischer Kunst und Popkultur. Mit Hilfe der ortsspezifischen Künstlerbeiträge wird der Besucher die historischen Kulturdenkmäler wie die megalithische Tempelanlage Ħaģar Qim, die Festungsanlagen der einstigen Insel-Hauptstadt Mdina und der Zitadelle von Gozo neu erleben können.
Valletta | Das Journal: Was ist Ihnen noch aufgefallen im Programm?
Voigt: Der niederländische Künstler Jonas Staal. Mit seinem Projekt „Order of Knowlegde“ in der National Library of Malta soll der Begriff des öffentlichen Raums einer politischen Revision unterzogen werden. Staal ist bekannt geworden durch das Projekt „New World Summit“, einem Forum für staatenlose politische Organisationen. Bin gespannt, wie dieses Konzept in Malta angenommen wird.
Valletta | Das Journal: In der ehrwürdigen Nationalbibliothek wird es wahrscheinlich weniger rebellisch zugehen. Mit gefällt die Idee der „de-fortification of knowledge“, also in der Festung Valletta die Ent-Festung von Wissen zu inszenieren.
Voigt: Auch dadurch, dass die European Graduate School mit einem öffentlichen Video-Archiv einige der am meisten angesehenen Denker unserer Zeit zugänglich macht.
Valletta | Das Journal: Auf was freuen Sie sich persönlich?
Voigt: Ich persönlich freue mich schon darauf, die historischen Fotografien „Broken Dreams“ von David Pisani aus der Bibliothèque Nationale de France im Original zu sehen.
Auch auf die „Utopien Nights“ von Elise Billiard, das Malta-Leeuwarden-Projekt von Leanne Wijnsma, das unterirdische Räume von Valletta, Leeuwarden und Friesland mit Hilfe von 3 D-Technik virtuell erschließt…
Valletta | Das Journal: Leeuwarden ist gleichzeitig mit Valletta Kulturhauptstadt…
Voigt: … die „Tuna Lies | Tuna Truth“ von Honey & Bunny, auf „Bodies in Urban Space“ von Willi Dorner sowie das Welt-Musikprogramm und die internationalen Begegnungsmöglichkeiten erfüllen mich jetzt schon mit einer großen Vorfreude. Sehr gespannt bin ich – wie alle Malta-Fans – auf die Realisierung des Strada-Stretta-Konzepts sowie auf die Neueröffnung des historischen Marktareals in der Merchants Street. 2018 verspricht, ein aufregendes Jahr zu werden.
Valletta | Das Journal: Die Wandlung der Strada Stretta, der Strait Street, fasziniert mich auch schon seit längerem. Einst das Amüsierviertel, ja das Rotlichtviertel der Stadt, dann viele Jahre eine tote Gasse, und in den letzten Jahren nach und nach zur Flaniermeile für gediegenes Ausgehen herangewachsen und auch immer mehr als Schauplatz für Kultur. Ausstellungen und Lesungen zum Beispiel in einer ehemaligen Nachtbar.
Die frühere Rolle der Strait Street war ja eine Nebenwirkung der kolonialen Vergangenheit, Malta als britischer und später Nato-Stützpunkt. Auch darin ist Valletta und Malta eine Besonderheit.
Überhaupt. Wie maltesisch, wie international, wie europäisch ist denn dieses aufwändige Programm mit seinen 400 Veranstaltungen aus Ihrer Sicht?
„Begleitende Projekte an der Universität zeigen, welche Bedeutung Kunst und Kultur für die Identität des Inselstaates haben“
Voigt: V 18 vergrößert das europäische wie internationale Spektrum, die Vielfalt und die Dimension des kulturellen Angebots, schafft eine Balance zwischen Tradition und Innovation, Elitärem und Niederschwelligem, verzahnt Kunst- und Kreativszene, lokal wie international. Zeitgenössische Kunst ist immer zugleich international und lokal. Die Künstler sind international vernetzt. Die Maltesischen Künstlerinnen und Künstler haben alle einen international geprägten Lebenslauf. Die Kunstakademie in Malta genießt einen hervorragenden Ruf. Begleitende Projekte an der Universität zeigen, welche Bedeutung Kunst und Kultur für die Identität des Inselstaates haben. Charles Xuereb beschreibt die wechselvolle Geschichte Maltas und die Notwendigkeit, koloniale Denkstrukturen aufzuarbeiten.
Nur wenige europäische Städte haben so sichtbar ihr Stadtbild verändert wie Valletta, seit es weiß, dass es Europäische Kulturhauptstadt wird. Das historische Stadttor wurde in die moderne offene Architektur des Parlamentsgebäudes von Renzo Piano einbezogen. Neuerlich weisen Hinweisschilder auch auf unbedeutendere Kulturdenkmäler. Das Straßensystem wurde verbessert. In Malta scheint man immer gleichzeitig international wie lokal zu denken. Dabei geht der Blick weit über den europäischen Tellerrand hinaus. Das Japan-Valletta 2018-Projekt nur ein Beispiel dafür.
Valletta | Das Journal: Was wünschen Sie sich persönlich für 2018?
Voigt:
- Ein Wassertaxi zwischen Xemxija (wo ich 2018 mein Quartier haben werde) und Valletta, um dem bisweilen sehr dichten Straßenverkehr zu entgehen.
- dass V 18 dazu beiträgt, die internationale Kunstszene für Malta zu interessieren.
- Ein Kunst-Projekt mit 70.000 Eichen.
Valletta | Das Journal: Das Journal: Über die Eichen sollten wir noch mal reden. Beim Punkt zwei haben Sie uns voll auf Ihrer Seite. Dafür drücken wir jetzt mal gemeinsam vier Daumen.