Ein Telefoninterview mit Anke Jablinski

Was eine Berlinerin dazu brachte, die maltesische Sprache zu lernen

Schild: "Der Laden" auf Maltesisch Schild: "Kein Trinkwasser" auf Maltesisch

Schild: Straße des Europarats

MALTI AUF SCHILDERN. Oben links: Il-Ħanut. Der Laden. Dieser wurde in der „Europäischen Kulturhauptstadt Valletta 2018“ vorübergehend eröffnet. Als Kulturladen, denn statt Obst oder Gemüse wurden Gedichte „vertrieben“. Oben rechts: Kein Trinkwasser. Wörtlich: Dieses Wasser ist nicht gut zum Trinken. Unten links: Die Straße des Europarats (Council of Europe) in Mellieħa. Das könnte man schon eher erraten, wenn man weiß, dass „Triq“ Straße heißt und das „w“ in Europa als „u“ gesprochen wird.

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Maltesisch lernen – Wie kommt man denn auf so eine Idee?

Schauplätze: 1. Berlin 2. ein Dorf im Taunus. Personen: 1. Der Interviewer (der aus dem Taunus). Maltabegeistert. Ein gefühltes Dutzend Maltesisch-Sprachführer im Regal. Nicht einen davon durchgepaukt. Spricht kein Maltesisch. Liebt aber die maltesische Sprache. 2. Anke Jablinski (die aus Berlin). Maltabegeistert. Liebt die maltesische Sprache. Hat sie aber auch gelernt. Sogar richtig gepaukt. Schon drei Sommerkurse an der Universität Bremen absolviert: Anfänger. Fortgeschrittene. Konversation. Verbindung zwischen beiden Personen: Die Begeisterung für Malta und je ein Telefon für das Interview.

Valletta | Das Journal: Maltesisch lernen. Wie sind Sie denn auf so eine Idee gekommen? Die Malteser sprechen doch alle auch Englisch, jedenfalls wenn wir Kontinentaleuropäer auf Besuch sind. Wo ist denn da die Motivation? (Die Frage ist natürlich etwas scheinheilig, wenn sie jemand stellt, der jede Gelegenheit nutzt, sich etwas auf Malti anzuhören. Aber irgendwie muss man ja in so ein Gespräch einsteigen.)

Anke Jablinski: Mir ging es darum, dass ich, wann immer ich in Malta bin, zumindest ansatzweise die Sprache beherrsche. Dass ich mich auch mal unterhalten kann, in der Sprache der Malteser, die sie ja alle untereinander sprechen, jedenfalls fast alle. Man ist daher viel mehr im Geschehen drin, wenn man auch Malti versteht. Es bringt einen näher an die Menschen heran. Und der zweite Grund ist: Mir macht die Sprache einfach Spaß.

Anke Jablinski bei einem Vortrag in Berlin über Malta

Anke Jablinski bei einem Vortrag in Berlin über Malta. Foto: © Stephan Röhl

Valletta | Das Journal: Wie reagieren denn die Malteser, wenn Sie sie auf Malti ansprechen?

Anke Jablinski: Die freuen sich, auch heute noch. Früher haben sie sich sogar noch mehr gefreut. Vielleicht gibt es mittlerweile schon mehr Malta-Besucher, die mal Malti geübt haben. Aber auch jetzt ist die Freude noch groß.

Valletta | Das Journal: Und wahrscheinlich auch das Erstaunen?

Anke Jablinski: Mir passiert das oft, wenn ich im Tante-Emma-Laden bin oder in einem Restaurant. Da bestelle oder kaufe ich alles auf Malti. Dann wird meistens gelacht und geantwortet „Huch, Du sprichst ja maltesisch". Und sie wollen wissen, ob ich vielleicht eine ausgewanderte Malteserin bin. Ich habe ja nun dunkles Haar und bin ein dunkler Hauttyp. Und wenn ich dann maltesisch spreche, ist das Chaos perfekt. Keiner kommt darauf, wo ich herkomme. Wenn ich dann auch noch auf Maltesisch sage, „ich bin eine Deutsche", „Jiena Ġermaniża", dann kommen sie komplett durcheinander.

Valletta | Das Journal: Ich stelle mir das gerade umgekehrt vor. Ein Engländer fragt mich auf Deutsch nach dem Weg, sein Deutsch ist korrekt, nur sein Akzent verrät ihn. Ich habe mich schon dabei ertappt, dass ich dann auf Englisch antworte. Eigentlich eine doofe Reaktion. Ich will höflich sein und entgegenkommend, statt dass ich mich freue, dass ein Engländer meine Sprache lernt und ihn darin bestärke. Ist es Ihnen auch schon so gegangen, dass Ihr Gegenüber gleich ins Englische verfällt, wenn Sie ihn auf Malti ansprechen.

Anke Jablinski: Ich habe beides schon erlebt. Dass man mit mir konsequent Malti spricht, aber auch, dass sofort wieder ins Englische verfallen wird vor allem, wenn ich mal ins Stocken komme. Das ist dann wirklich gut gemeint, aber eigentlich denke ich in so einer Situation: Schade. Manchmal, aber auch nicht immer, rede ich dann weiter auf Malti. Aber ich erlebe auch das Gegenteil. Es gibt sogar so etwas wie einen Lieblingsplatz, wo ich zum Malti sprechen hingehe. Das ist ein Pizza-Restaurant bei Marsalforn auf Gozo, der „Pizza Stop". Da weiß ich, dass die sich jedes Mal freuen, wenn wir uns wiedersehen und ich Malti spreche. Dann kann ich einen ganzen Abend lang üben.

Lieblingsrestaurant von Anke Jablinski in Marsalforn auf Gozo

„Da gehe ich auch gerne zum Malti sprechen hin“. Lieblingsrestaurant von Anke Jablinski in Marsalforn auf Gozo. Foto: © Anke Jablinski

Valletta | Das Journal: Wie würden Sie denn Maltesisch beschreiben: Ist das mehr Arabisch, Italienisch, Englisch. Was überwiegt denn so nach Ihren Erfahrungen?

Anke Jablinski: Der arabische Anteil überwiegt eindeutig. Malti ist eine maghrebinisch, semitische Sprache. Man findet auch noch einiges Aramäisches. Vor allem die Grammatik ist wie die arabische mit diesen Moon Consonants und Sun Consonants.

Valletta | Das Journal: Gibt es denn etwas, dass es für jemanden mit Deutsch als Muttersprache erleichtert, Maltesisch zu lernen. Es existiert ja keine Sprachverwandtschaft wie die des Deutschen mit dem Englischen?

Anke Jablinski: Die Schrift macht es leichter. Maltesisch ist die einzige semitische Sprache, die mit lateinischen Buchstaben geschrieben wird. Ich weiß nicht, ob ich Lust gehabt hätte, zunächst Arabisch zu lernen. Weil man sich ja erst durch diese Schrift arbeiten muss. Ich lerne gerne Sprachen, bisher aber nur solche, die unsere lateinischen Buchstaben verwenden.

Valletta | Das Journal: Und was fällt Ihnen besonders schwer?

Anke Jablinski: Besonders schwierig wird es, wenn es über den Small Talk hinausgeht. Als ich anfing Malti zu lernen, dachte ich, es ist total leicht, diese Sprache zu lernen. Ich habe mich ja immer auf der Small-Talk-Ebene bewegt. Als ich aber an der Uni Bremen diese Kurse besucht habe, zunächst für Anfänger, dann den Fortschrittskurs und dann Konversation; wenn es also auf die höhere Stufe geht, denkt man plötzlich, man kann gar nichts. Plötzlich werden die Sätze so kompliziert. Dann kommt diese gänzlich andere Grammatik zum Tragen.

Das „Muschelhaus“ in Għaxaq

Lieblingsort auf Malta: Das „Muschelhaus“ in Għaxaq. Die Malteser nennen das mit Schneckenhäusern und Muscheln dekorierte Haus: Id-dar tal-bebbux (Das Schneckenhaus). Foto: © Anke Jablinski

Valletta | Das Journal: Ist Ihnen denn auch etwas besonders Überraschendes oder Amüsantes begegnet in der maltesischen Sprache?

Anke Jablinski: Ich finde es drollig, wenn ich die italienischen Vokabeln entdecke oder vor allem die englischen, etwas seltener türkische oder französische. Besonders, wenn ich sie geschrieben sehe, weil sie diese Wörter so schreiben, wie man sie als Malteser ausspricht. Zum Beispiel so ein Wort wie friġġ für fridge, das englische Wort für Kühlschrank. Oder das Wort Kwiet, das ist eigentlich quiet, ruhig.

Valletta | Das Journal: Das hat mir auch immer gut gefallen, da kann ich auch noch etwas zu beitragen. Zum Beispiel cermen für chairman oder ċaw für das italienische, bei uns auch so beliebte Ciao. Und ich habe gelesen, dass die einzige Eisenbahn, die es mal in Malta gab, zwischen Valletta und der alten Hauptstadt Mdina zwar offiziell als ferrovija bezeichnet wurde nach dem italienischen ferrovia, oft aber auch xmundifer genannt wurde, abgeleitet vom französischen Wort chemin de fer.

Anke Jablinski: Oder televixin für das Fernsehen. Am Anfang fand ich solche Wörter und die Schreibweisen sehr lustig, heute sind sie mir vertraut.

Valletta | Das Journal: Wir haben ja auch unser Denglisch und sogar Wörter die englisch klingen sollen, aber die es gar nicht im Englischen gibt wie Handy. Nur schreiben wir es nicht Händi. In Malta ist man da offenbar konsequent, man entlehnt ein Wort vollständig, indem man auch die Schreibweise an die eigene anpasst, so weit wie möglich.

Ich habe allerdings, als ich in den 70ern das erste Mal nach Malta kam und im städtisch geprägten Sliema wohnte, erlebt, dass Malteser auch untereinander nur Englisch gesprochen haben. Das kam mir zwar entgegen. Aber gewundert hat es mich trotzdem.

Anke Jablinski (Jahrgang 1962)

…ist vor allem eines: Vielseitig. Malerin, Autorin, Objekt- und Projektkünstlerin und, um ihr eigenes Wortspiel zu gebrauchen: Malta-BeWanderte.

Sie bereist die Inselrepublik seit 1987 und war schon mehr als 60 mal auf dem Archipel. Und sie ist so etwas wie eine Malta-Botschafterin, hat Bücher über das Land geschrieben, Vorträge über das Land gehalten, hat 2015 die maltesische Kulturwoche in Berlin initiiert. Und wer, zurück aus dem Malta-Urlaub, in Deutschland nicht mehr ohne maltesische Spezialitäten auskommt, der kann diese in ihrem Berliner Online-Shop (Ankes Malta Shop) bestellen.

Lieblingswort in Malti

Ħobż (Brot), klingt wie hopsen1

Lieblingsort auf Malta:

Għaxaq (mit seinem „Muschelhaus“)

Lieblingsort auf Gozo:

Żebbuġ

Lieblingsstrand auf Malta:

Għajn Tuffieħa

Lieblingsstrand auf Gozo:

San Blas, nahe Nadur

Lieblingsrestaurant auf Malta:

The Cliffs, Dingli

Lieblingsrestaurant auf Gozo:

Pizza Stop, Marsalforn

Website:

https://ankejablinski.jimdo.com

Ankes Malta Shop: https://www.ankes-malta-shop.de

1das Wort findet übrigens auch der Interviewer schön. Der könnte hopsen vor Freude, wenn das knusprige Ħobż Malti serviert wird.

Anke Jablinski: Die gibt es auch heute noch. Sie werden von den anderen oft Sliema-Malteser oder tal-mama genannt. Ich kenne auch Malteser die kein Malti sprechen. Weil sie nur englisch erzogen worden sind, und weil man auch Malti als etwas Kreolisches ansieht als etwas…

Valletta | Das Journal: …kitchen language, Küchensprache, wie früher gelegentlich gesagt wurde. Die Sprache eines Landes, das über viele Jahrhunderte, eigentlich bis zur Unabhängigkeit 1964, immer nur von fremden Mächten beherrscht wurde, hatte es schwer, sich durchzusetzen.

Wie hat das Maltesisch lernen denn bei Ihnen angefangen, doch nicht gleich mit den Kursen in Bremen?

Anke Jablinski: Da muss ich meine superlustige Geschichte loswerden. Es begann bei mir in den 80er Jahren, als ich oft in Malta war und mich in dieses Land verliebt hatte. Da wollte ich schon als junger Mensch Malti lernen. Ich saß in Berlin und dachte, wie stelle ich das jetzt am besten an. Damals hatten "Learn Maltese"-Bücher noch Seltenheitswert. Und was es gab, hatte ich mir gekauft. Und dann habe ich ganz aus Spaß, man stelle sich jetzt die 80er Jahre vor, in „Die Zweite Hand" ein Berliner Blatt, eine Anzeige aufgesetzt (lacht), in der stand sinngemäß: Suche jemanden, der mir Maltesisch beibringt.

Valletta | Das Journal: Das war wirklich eine absolut exotische Annonce, zudem zu dieser Zeit.

Anke Jablinski: Jetzt halten Sie sich fest. Kaum war die Anzeige erschienen, meldete sich einer am Telefon. „Hallo hier ist Renzo. Ich bin zurzeit in Berlin", er sprach natürlich Englisch. „Ich bin Malteser". Er war, dass muss man sagen, der einzige in Berlin. „Ich bin hier wegen meiner Verlobten vorübergehend nach Berlin gezogen. Ich kann dir Malti beibringen". Bei ihm hatte ich meinen ersten Malti-Unterricht.

Valletta | Das Journal: Ein Volltreffer, fast so etwas wie ein Sechser im Lotto. Da wollen Sie schon so eine extrem seltene Sprache lernen und sind auch noch so optimistisch, dass es tatsächlich jemanden gibt der Ihnen das beibringen kann. Und siehe da, es gab einen. In Berlin.

Anke Jablinski: Ja. Das war so. Es gab einen und auch einen supernetten. Und er und seine deutsche Frau gehören auch heute noch zu meinen besten Freunden. Und der Gipfel war, dass er dringend einen Job haben wollte. Er ist damals Lehrer gewesen. Das passte wunderbar. Er konnte auch gut unterrichten. Ich hatte bei ihm meine ersten Stunden und damals habe ich sehr viel gebüffelt. Das war mein Grundstock.

Mit Anke Jablinski sprach Bertold Schmitt-Feuerbach

Kurze Erläuterungen …

…zum Interview (wirklich ganz kurz & knapp):

„Vor allem die Grammatik ist wie die Arabische mit diesen Moon Consonants und Sun Consonants“.

Das Maltesische kennt Sonnen- und Mondkonsonanten. Von ihnen hängt ab, wie der bestimmte Artikel gebildet wird. Die Mondkonsonanten machen es einem einfach. Vor diesen ist der Artikel immer il, zum Beispiel il-lukanda (das Hotel) oder il-karozza (das Auto). Vor Sonnenkonsonanten wird der Artikel aus dem Buchstaben „i“ plus dem Sonnenkonsonanten gebildet. Der Anfangsbuchstabe des Substantivs wird also wiederholt, der Artikel verschmilzt mit dem Sonnenkonsonanten. Beispiel: id-dar (Das Haus) oder iz-zokkor (der Zucker).

friġġ, televixin, xmundifer (Die Stelle im Interview, bei der es um die Schreibweise von Lehnwörtern im Maltesischen ging).

Das Maltesische verwendet wie wir das lateinische Alphabet. So weit so einfach. Es gibt aber Buchstaben, die wir als Sonderzeichen bezeichnen würden und/oder solche, die anders ausgesprochen werden als bei uns. Das „ġ“ ist so ein Fall. Es wird „dsch“ ausgesprochen also „friddsch“. Das „x“ wird wie unser „sch“ ausgesprochen, also „Telewischin“ oder „Schmundifer“.

tal-mama (Die Stelle, als es um Bewohner von Sliema ging, die auch untereinander Englisch sprechen).

Die gibt es wirklich. In Sliema wohnen ja auch nicht wenige Malteser, deren Vater oder Mutter, also ein Elternteil, aus Großbritannien stammt. In einem Buch, in dem es eigentlich um (maltesischen) Fußball ging2, fanden wir die Erklärung, dass sich die Bezeichnung tal-mama auch ironisierend darauf beziehen könnte, wie ausschließlich englischsprechende Malteser ihre Mutter nennen, also nicht umgangssprachlich und vertraut "ma", sondern etwas förmlicher und altmodisch-britisch "mama".

Maltesisch-Kurse an der Universität Bremen

2Gary Armstrong und Jon P. Mitchell: "Global and Local Football: Politics and Europeanization on the Fringes of the EU"